Hochsensibilität bei Kindern: Ist mein Kind hochsensibel?
Reagiert dein Kind auf Sinnesreize aus der Umwelt sehr sensibel und ist schnell überfordert? Ist es sehr empathisch und hat eine rege Fantasie? Hat es einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ein großes Harmoniebedürfnis? Vielleicht ist dein Kind hochsensibel! Wir verraten dir, wie du Hochsensibilität bei Kindern erkennst und wie du sie dabei unterstützen kannst, diese als Gabe anzunehmen.
Was ist Hochsensibilität?
Die US-Amerikanerin Elaine Aron gilt als die erste Wissenschaftlerin, die das Phänomen der Hochsensibilität erforscht hat. Sie selbst hat sich oft gereizt und überfordert gefühlt. In ihren Untersuchungen findet sie heraus, dass hochsensible Menschen ein sehr empfindsames Nervensystem besitzen. Sie nehmen Feinheiten in ihrer Umgebung eher wahr, als andere. Das bedeutet allerdings auch, dass sich hochsensible Menschen viel leichter überfordert fühlen, wenn sie über einen langen Zeitraum starken Reizen ausgesetzt sind. Dazu gehören Geräusche, visuelle Eindrücke und Stimmungen anderer Menschen.
Heute geht man davon aus, dass ungefähr fünfzehn bis zwanzig Prozent der Bevölkerung hochsensibel sind. Hochsensibilität ist aber keine Krankheit, keine psychische Störung – sondern ein Persönlichkeitsmerkmal. Eine Veranlagung des Temperaments. Das Gehirn wird dabei permanent reizüberflutet, weil alle Sinne stets weit geöffnet und empfänglich sind. Aron beschreibt es so: „Alles, was auf unser Nervensystem trifft, muss irgendwann verarbeitet werden. Auf hochsensible Personen treffen mehr Reize – das Gehirn kann nicht gut aussortieren. Der Filter ist sozusagen durchlässiger.“ Genau diese Verarbeitung braucht Zeit. Zeit, die nicht hochsensible Menschen nicht benötigen.
Welche Eigenschaften haben hochsensible Menschen?
Hochsensible Menschen teilen viele Eigenschaften, allerdings ist Hochsenibilität auch sehr individuell. Während sich die Hochsensibilität bei einigen besonders auf die Sinnesreize bezieht, berichten andere davon, dass sie Stimmungen anderer Menschen sehr stark wahrnehmen und eine extrem ausgeprägte Empathie besitzen.
Viele hochsensible Menschen berichten davon, dass sie:
gut darin sind, Irrtümer aufzuspüren.
höchst gewissenhaft sind und besonders gut bei Aufgaben, die Umsicht, Sorgfalt und Schnelligkeit erfordern.
nachdenklich sind, was das eigene Leben betrifft.
gerne philosophieren und eine ausgeprägte Fantasie und Kreativität besitzen.
sehr intuitiv sind und ihr Bauchgefühl oft richtig liegt.
von den Gefühlsäußerungen anderer stark beeinflusst werden.
eine starke Verbindung zur Natur, zu Tieren und zum Universum erleben.
Wie erkenne ich, ob mein Kind hochsensibel ist?
Hochsensibilität ist auch bei Kindern sehr individuell ausgeprägt. Es gibt allerdings einige Merkmale, die darauf hinweisen können, dass die Antennen deines Kindes feiner sind, als die anderer Kindern. Der folgende Test kann dir eine Einschätzung darüber geben, ob dein Kind hochsensibel sein könnte.
Warum es die "Diagnose" Hochsensibilität nicht gibt
Hochsensibilität ist keine anerkannte psychische Störung, oder eine Krankheit. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Persönlichkeitsausprägung. Gerade aus diesem Grund kannst du bei deinem Kind darauf achten, es nicht nur auf die Hochsensibilität zu reduzieren. Auch wenn dein Kind eher zurückhaltend ist und es ihm schwer fällt Kontakte zu knüpfen, so trägt es sehr wahrscheinlich Anteile in sich, die die Welt mit allen Sinnen erleben möchten. Aber eben auf seine Weise.
Welche Persönlichkeitseigenschaften haben hochsensible Kinder?
Die meisten hochsensiblen Kinder verfügen über einen eher introvertierten Charakter. Das kann bedeuten, dass sie sich öfter zurüchziehen und Zeit für sich benötigen. Doch auch Extrovertiertheit kann eine Merkmalsausprägung von Hochsensibilität sein.
So sind hochsensible Kinder nicht immer nur leise und ruhig. Auch plötzliche Wutausbrüche können darauf hindeuten, dass dein Kind mit den Reizen der Umwelt gerade nicht umgehen kann.
Weitere Eigenschaften können unter anderem diese sein:
Das Kind erschrickt häufig, auch bei eigentlich natürlichen Alltagsgeräuschen.
Das Kind wird oft als "schüchtern" oder "zurückhaltend" bezeichnet.
Das Kind leidet an Kontaktallergien, oder an chronischen Hauterkrankungen, wie z.B. Neurodermitis.
Das Kind ist gegenüber Gerüchen, bestimmten Stoffen und Farben sehr empfindlich.
Das Kind ist eher Einzelgänger:in. Es fällt ihm schwer Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen.
Streit in der Familie bezieht das Kind häufig auf sich selbst.
Das Kind hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ist oft kritisch.
Die Sprachentwicklung des Kindes ist bereits in jungem Alter weit entwickelt.
Das Kind ist ein kleiner Philosoph – alles wird hinterfragt.
Mein Kind hat eine feine Intuition und ein gutes Bauchgefühl.
Mein Kind ist sehr empathisch, vor allem auch mit der Natur und der Umwelt.
Gibt es Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen?
Hochsensibilität wird bei Jungen häufiger erkannt, als bei Mädchen. Das liegt ganz einfach daran, dass wir immer noch in sehr starren Rollenbildern aufwachsen und leben. Mädchen, die als zurückhaltend, ruhig, friedlich, sanft und empathisch beschrieben werden, gelten in der Regel als "normal". Bei Jungen fallen diese Eigenschaften oft deutlicher auf.
Wie kann ich mein hochsensibles Kind im Alltag unterstützen?
Um unser hochsensibles Kind im Alltag zu unterstützen, ist es wichtig eines zu verinnerlichen: Die Welt ist in ihren allermeisten Facetten nicht für hochsensible Menschen gemacht. Ihr reiches Innenleben, ihr augeprägtes Mitgefühl und ihre Intuition machen es ihnen oft schwer, verstanden und akzeptiert zu werden. Die gute Nachricht ist, dass du dein Kind darin bestärken kannst, seine Hochsensibilität als Geschenk und als Gabe anzuerkennen. Versuche dein Kind so zu akzeptieren und anzunehmen, wie es ist und traue seinem Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe.
Nur, weil dein Kind nicht viele Kontakte hat, bedeutet dies nicht, dass es keine wunderbaren Freundschaften schließen wird – vielleicht dauert es manchmal einfach etwas länger. Sei geduldig und versuche dein Kind dabei zu unterstützen, seine besondere Gabe ausleben zu können. Vielleicht möchte es Musik machen, viel in der Natur unterwegs sein, eine enge Verbindung zu Tieren aufbauen oder Malen und Zeichnen. Denke immer daran: Dein Kind gibt sein Bestes einen Platz in dieser Welt zu finden. Du kannst ihm dabei helfen!
Tipps für den Umgang mit einem hochsensiblen Kind
Auszeiten ermöglichen: Dein Kind benötigt Ruhe, um Eindrücke und Wahrnehmungen zu sortieren. Gib ihm Zeit, alleine zu sein und sich zurückzuziehen.
Selbstwert stärken: Indem dein Kind lernt, dass seine Emotionen und sein reiches Innenleben gesehen und akzeptiert werden, wird es lernen überfordernde Situationen besser zu regulieren und gesunde Grenzen zu ziehen. Das steigert den eigenen Selbstwert.
Überfordernde Reize minimieren: Zeigt dein Kind Anzeichen von Überforderung, nimm es unbedingt ernst. Manchmal kann es schon genügen, Reize, wie laute Geräusche oder Menschenansammlungen zu minimieren um das Nervensystem zu beruhigen.
Hochsensibilität als Stärke anerkennen: Hochsensible Kinder sind kleine Frühwarnsysteme, die Ungerechtigkeiten schnell erkennen und Unstimmigkeiten in der Familie oft als erstes wahrnehmen. Eine echte Superkraft! Schenke deinem Kind Wertschätzung für seine Gabe.
Routinen einführen und beibehalten: Oft können hochsensible Kinder nicht gut mit Veränderungen umgehen. Da diese aber oft unvermeidlich sind, ist es wichtig Sicherheit durch kleine Rituale und Routinen zu schenken.
Stärke die Kraft zur Natur und zum Universum: Vielleicht fühlt dein Kind sich mit der Natur und den Kräften des Universums verbunden. Belächle es nicht dafür und stärke diese außergewöhnliche Verbindung. Vielleicht hat dein Kind Spaß an Naturritualen, wie diesem.
Probiere Kinderyoga und Achtsamkeitsübungen aus: Yoga und Achtsamkeitsübungen können dafür sorgen, das Nervensystem deines Kindes zu beruhigen. Probiere es einfach mal aus!
Ist Hochsensibilität vererbbar?
Es heißt, dass Hochsensibilität sehr wahrscheinlich vererbbar ist. Entweder durch die Eltern oder auch die Großeltern. Erkennst du dich selber in den Beschreibungen wieder? Viele Eltern erfahren von ihrer eigenen Hochsensibilität erst dann, wenn es ihnen bei ihren eigenen Kindern auffällt. Dieser Test von Elaine Aron kann dir dabei helfen, es herauszufinden.