Schön und glücklich: Der ganzheitliche Weg zur Schönheit
Äußere Schönheit und ein reiches Innenleben gehen manchmal nicht gut Hand in Hand. Fällt man als spirituelle Person durch, wenn man sich die Haare färbt und die Lippen nachmalt? Wie hoch dürfen Absätze sein, damit man nicht als oberflächlich gilt? Im Folgenden versuchen wir einen ganzheitlicheren Ansatz zum Thema Schönheit aufzuzeigen.

Friseur, Maskenbildner und Vorleser: Onkel Chris
Als Kind musste ich glücklicherweise nie zwischen meinem Aussehen und meinem Inneren wählen. Vor allem wegen meines Onkels Chris. Er war Friseur, Maskenbildner und Auralist und gab Schulungen in intuitiver Entwicklung. Sein Haus war gefüllt mit einer Kombination aus Edelsteinen, Make-up und Büchern über Chakren. Alles umhüllt von dem Geruch von Zigaretten und Versace-Parfüm.
Er war mein großer Held. Ich folgte seinem Beispiel mit Selbstverständlichkeit. Im Grundschulcamp demonstrierte ich, wie man Auren spürt. In der Oberschule hielt ich Vorträge über das Zehenlesen und probierte seine Schminktipps an mir und meinen Freundinnen aus. Mein Onkel war die Blaupause für die Form, die mein Leben im letzten Jahrzehnt annahm. Ich war eine hungrige Studentin, begeisterte Clubgängerin, Meditierende, Model und Yogi, Schriftstellerin und aufstrebende DJane.
In Designer-Leggings nach Bali
Heutzutage braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Raum in einem durchschnittlichen Yogastudio mit einer durchgestylten Gruppe gefüllt ist, die sich gegenseitig seine neuesten balinesischen Mitbringsel zeigt und darüber diskutiert, welche Yoga-Marke die beste ist.
Die Zeiten, in denen die Körperbehaarung üppig wachsen musste, um eine reiche innere Landschaft zu zeigen, sind längst vorbei. Clean Spiris wie Lucia Rijker, Susan Smit und Madonna haben mit ihren High Heels die Grenzen zwischen Weisheit und Schönheit niedergerissen.
Auch wenn wir manchmal über das Ziel hinausschießen (müssen wir wirklich in Designer-Leggings nach Bali reisen, um uns selbst zu finden?), halte ich es für eine gesunde Entwicklung, dass auch die körperliche Erscheinung ihre Existenzberechtigung im Land der Bedeutung einfordert.
Dein Aussehen bestimmt dein Leben
Daran wurde ich erinnert, als ich mir vor fünf Jahren aus Liebeskummer meine langen roten Locken abrasierte. Mein kahler Kopf spiegelte wider, wie ich mich damals fühlte – nackt und unbeschwert. Ich konnte mich buchstäblich nicht mehr hinter meinem wichtigsten körperlichen Merkmal verstecken. Auch wenn diese Verwandlung freiwillig und recht freudig war, so wurde mir doch bewusst, wie sehr mein Aussehen die Art und Weise beeinflusst, wie ich mein Leben erlebe. Mein Umfeld reagierte nämlich ganz anders auf mich als vorher. Und ich sah mich dadurch auch in einem anderen Licht. Es war eine befreiende Erfahrung, aber ich habe meine auffälligen Locken auch ein bisschen vermisst.

Schön sein, aber bitte ohne Druck
Eine ähnliche Dualität erkenne ich auch bei anderen: Einerseits wollen wir schön aussehen, andererseits aber auch frei von diesem Wunsch sein. Wir kämpfen mit der Vorstellung, dass man entweder schön und oberflächlich oder eine graue Maus und tiefgründig ist.
Wenn diese beiden Dinge in einer Person zusammenkommen – Angelina Jolie (Meditation), Julia Roberts (Hinduismus) und Justin Bieber (Glaube an Jesus) – trauen wir dem insgeheim sowieso nicht so recht. Der Körper scheint sich dem Bild anpassen zu müssen, das wir vom reinen inneren Selbst haben, unaufdringlich einfach.
Keine Verbindung zum Göttlichen
Schönheit ist etwas, das uns seit jeher beschäftigt und ängstigt. In fast allen religiösen Traditionen werden die Menschen – vor allem die Frauen–- vor den Verlockungen der äußeren Erscheinung gewarnt. Sie soll ein Hindernis für einen reinen Weg, eine reine Verbindung mit dem Göttlichen sein.
Die Verweigerung oder Ablehnung körperlicher Bedürfnisse und äußerer Zurschaustellung ist ein unbestreitbarer Teil fast jeder Weisheitstradition: von Jesus bis Buddha.

Schönes Inneres, schönes Äußeres
Für diesen Artikel habe ich eine Umfrage darüber durchgeführt, was jemanden heute zu einer Schönheit macht. Ausnahmslos nannten die Leute innere Qualitäten: Verletzlichkeit, Energie, authentische Präsenz....
"Schönheit kommt von innen", rief mein Netzwerk im Chor. Es sind die Kultur, die Medien und der Handel, die uns ihre Schönheitsideale aufzwingen (als ob diese Bereiche von Außerirdischen geführt würden).
Legen wir insgeheim mehr Wert auf unser Aussehen, als wir denken? Wie sonst ist es zu erklären, dass wir so viel Wert auf unser Aussehen legen?
Attraktive Menschen sind besser
Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass attraktive Menschen in fast allen Bereichen erfolgreicher sind als ihre weniger attraktiven Altersgenossen. Babys schauen ein attraktives Gesicht länger an, und wir sind eher bereit, mit jemandem, den wir attraktiv finden, über private Dinge zu sprechen.
Schöne Menschen bekommen mehr Geld für die gleiche Arbeit (wirklich) UND weniger Strafe für das gleiche Verbrechen (wirklich). ABER Untersuchungen zeigen, dass attraktive Frauen auch automatisch als materialistisch und oberflächlich eingestuft werden.
Heutzutage stellen wir jedoch die innere Welt über die äußere und sehen letztere als Ablenkung oder Hindernis für das Eigentliche. Der Schein trügt freilich. Wir wollen die Welt, die Menschen, mit denen wir sie teilen, und unsere Falten oft ungesund nach unserem Geschmack gestalten. Dagegen hat sich eine Gegenbewegung gebildet, die behauptet, das Innere sei das einzig Wahre. Verständlich, aber auch nicht wirklich die Lösung.

Die Mischungs macht's
Wir könnten es auch anders sehen. Schönheit ist eine Mischung aus Genen, Charaktereigenschaften, Kultur und Ausstrahlung. Form gibt es nicht ohne Substanz. Die äußere Welt – die Welt der Materie, der Schuhe, des Lippenstifts und der Bäume – inspiriert ständig die innere Welt. So entstehen neue Formen: ein tolles Outfit, ein Buch oder eine vegane Kantine.
Aus dieser Perspektive ist die Behauptung, dass die wahre Schönheit im Inneren liegt, genauso unsinnig wie die Behauptung, dass sie im Äußeren liegt. Wie immer scheint Integration das Schlüsselwort zu sein.
Stil schafft Schönheit
Integration kommt tatsächlich durch Stil. Stil hat nicht unbedingt etwas mit Mode zu tun. Stil ist eine lebendige Form. Ein Mensch mit Stil ist ein solcher Mensch, der den bekannten Müllsack anziehen kann und trotzdem gut aussieht.
Man kann alles mit Stil tun, von der Auswahl eines Einkaufswagens bis hin zum Anziehen oder zum Sterben. Etwas oder jemand, der Stil hat, ist genau das, was er ist und wo er ist, zu jedem Zeitpunkt, mit voller Aufmerksamkeit und Respekt.