Chōwa – Leben in Harmonie dank der japanischen Philosophie

Nach Wabi-Sabi und Ikigai gibt es eine weitere japanische Philosophie, die der westlichen Lebensweise viel geben kann: Chōwa, die Suche nach Gleichgewicht als Gegengewicht zu einem hektischen Leben voller Spannung und Veränderung. Wie du es in deinem Leben anwenden kannst, erfährst du hier.

Person sitzt an Strand
Einfach nur dasitzen, zuhören und schauen ist die Basis dieser japanischen Philosophie. Foto: canva.com

Was steckt hinter der japanischen Philosophie Chōwa?

Lauschen und schauen. Zwei Schritte, die wir im Westen oft übergehen, sagt die Japanerin Akemi Tanaka, Autorin des Buches „Chōwa, Japanische Weisheit für ein ausgewogenes Leben“. Im Westen reden wir gerne und viel, hören jedoch nur halb zu und denken schnell, dass wir es schon wissen. Bescheidenheit wird im Allgemeinen nicht als eine Eigenschaft betrachtet, die viel bringt. Tanaka sagt: „In Japan sind die Menschen still. Wer schon einmal dort war, hat sich vielleicht über die Ruhe auf den überfüllten Bahnhöfen gewundert. Oder darüber, mit wie viel Aufmerksamkeit eine einfache Visitenkarte entgegengenommen wird. Sich gegenseitig ausreden zu lassen, ist dort die Norm. Eine japanische Freundin hat mich einmal in London besucht. Das Erste, was sie sagte, war: Oh Gott, die Leute schreien so in diesem Land. Im Westen reden und reden wir einfach weiter. Aber was passiert, wenn du nicht sprichst? Dann hast du die Ruhe, zuzuhören und zu schauen, was gebraucht wird. Das ist Chōwa.“

Das Motto der japanischen Philosophie: Mehr Suchen als Finden

Auf der Suche nach Ausgeglichenheit könnten wir gut von der jahrhundertealten japanischen Philosophie profitieren, ist sich Akemi Tanaka sicher. Chōwa wird oft als „Harmonie“ übersetzt, aber die japanischen Schriftzeichen bedeuten wörtlich „die Suche nach Ausgeglichenheit“. „Harmonie ist ein etwas trügerischer Begriff. Sie ist nicht etwas, das du erreichst und dich dann zurücklehnen kannst. Chōwa handelt vielmehr von der Suche, der Handlung, etwas ins Gleichgewicht zu bringen. Es ist sehr aktiv. Es ist eine Lebensweise”, erklärt Akemi.

Akemi Tanaka stammt von hochrangigen Samurai-Kriegern aus dem 15. Jahrhundert ab, die dem Kriegerdichter Ōta Dōkan dienten. Die traditionellen japanischen Lehren und Lebensweisheiten von Chōwa wurden ihr von Kindesbeinen an mitgegeben. Und obwohl sie seit Jahren in London lebt und ihr Heimatland auch kritisch betrachtet, ist die Weisheit von Chōwa immer noch ihre geheime Waffe. Sie hilft ihr im Haushalt und bei der Erziehung ihrer Kinder. Sie wandte die Lehren sogar an, als sie ein Freiwilligenprojekt für die Opfer des Erdbebens von 2011 ins Leben rief.  „Manchmal vergessen wir, dass diejenigen, denen wir helfen wollen, nicht nur Opfer, sondern auch Menschen sind. Menschen, die genauso nachdenken können wie wir. Wir sollten nicht arrogant sein und glauben, dass wir wissen, was für sie gut ist. Wir müssen zuhören und schauen. Das Erste, was ich tat, war zu erforschen, was benötigt wurde. Nur wenn du weißt, was gebraucht wird, kannst du wirklich helfen”, so Akemi. Als Dozentin für japanische Kultur bemerkte sie, dass es großes Interesse an der Chōwa-Philosophie gab. Regelmäßig hält sie jetzt Vorträge zu diesem Thema, sie schrieb auch ein Buch, in dem sie erzählt, wie ihre Vorfahren damit lebten, aber auch wie man die Lehren im hektischen Leben von heute anwendet. Von der Gestaltung des eigenen Hauses bis zum Umgang mit Kollegen – die Lektionen von Chōwa lassen sich auf alles anwenden. „Auch wenn die Weisheit schon seit Jahrhunderten besteht, ist sie immer noch eine sehr brauchbare Denkweise. Gerade im modernen Leben mit all seinen Herausforderungen hilft sie, nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten.“

Zwei Personen in japanischem Haus sitzen sich gegenüber
Ob bei der Meditation oder im Beisein von anderen, die japanische Philosophie Chōwa lässt sich auf alles anwenden. Foto: canva.com

Vielfältige Bedeutung des Wortes Chōwa

Was Chōwa ist und wie man es anwendet, ist in den japanischen Schriftzeichen des Wortes enthalten. Das erste Zeichen, Chō, bedeutet „suchen“. Die Suche nach Balance beinhaltet sowohl das Führen eines Haushaltsbuchs als auch das Nachdenken darüber, ob deine Arbeit dich glücklich macht. Das Chō-Zeichen kann auch in einem anderen Verb verwendet werden, nämlich „sich vorbereiten“. Forschung zu betreiben, bevor man etwas beginnt, oder rechtzeitig zu einem Termin zu erscheinen, gehört ebenfalls zu Chōwa. Und dann hat Chō auch eine musikalische Bedeutung. Wie ein Orchester, das seine Instrumente stimmt, steht Chō für die vielen kleinen Anpassungen, die wir vornehmen, um harmonisch mit anderen spielen zu können. Das zweite Zeichen, Wa, kann als Gleichgewicht, Harmonie und Frieden übersetzt werden – denke an eine friedliche Atmosphäre oder an ein ruhiges Meer. Das Zeichen wird auch als Verb verwendet: Frieden bringen oder zwei Gegensätze – seien es Menschen, Kräfte oder Ideen – in Balance bringen, um sie besser zusammenarbeiten zu lassen. Mit so vielen Bedeutungen ist es nicht verwunderlich, dass die Weisheit von Chōwa auf viele Dinge anwendbar ist. „Ob es nun um dein Privatleben geht oder um deine Arbeit, bei Chōwa suchst du nach dem friedlichen Weg, um Balance zu finden. Und Forschung ist immer der erste Schritt. Erst dann können wir Entscheidungen treffen, die Gleichgewicht bringen“, erklärt Tanaka.

„Ruhe ist das Öl, das alles reibungslos laufen lässt.“
Japanisches Sprichwort

Ruhe als Schlüssel der japanischen Philosophie

Aber um das alles tun und nach der japanischen Philosophie leben zu können, brauchen wir noch etwas Wichtiges: Ruhe. Auch Chōwa beginnt mit Ruhe. „Wenn du ständig ,an‘ bist und immer rennst, ist es leicht, das Gleichgewicht zu verlieren. Wenn du kurz inne hältst, einen Schritt zurück trittst, tief einatmest und etwas Stille in dein Leben bringst, bekommst du Überblick. Nur dann kannst du genau sehen, was mit dir selbst und mit den Menschen um dich herum los ist“, rät Akemi. Da diese Ruhe nicht von selbst kommt, musst du sie manchmal suchen. Zum Beispiel, indem du in einem Gespräch einfach still bist. Oder durch Meditation. Durch die Natur. Tanaka beschreibt, wie in traditionellen japanischen Häusern oft ein Raum mit einer Tatami-Matte aus Reisstroh vorhanden ist. Wenn du mit nackten Füßen auf so einer Matte stehst, fühlt es sich an, als würdest du auf trockenem Gras gehen. Das vermittelt ein friedliches Gefühl und Entspannung. Es ist auch der Ort, an dem traditionell Teezeremonien abgehalten werden, Momente voller Aufmerksamkeit und Ruhe. In ihrem Haus in London hat sie zwar keinen Raum mit einer Tatami-Matte, aber einen kleinen Garten. Gelegentlich geht sie nach draußen, um eine einfache Meditation zu machen. „Atme durch die Nase ein und richte deine Aufmerksamkeit auf das angenehme, kühle Gefühl dieses Atems. Vielleicht spürst du, wie dein Körper mit Vitalität und Energie aus dem Boden und der Luft erfüllt wird. Es hilft wirklich, deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem und den gegenwärtigen Moment zu lenken. Wenn deine Atmung regelmäßig wird, wird dein Geist das automatisch auch.“

Vier wertvolle Chōwa-Lektionen

  1. Verstricke dich nicht in die Rolle, die du spielen sollst. Vergiss für einen Moment die Rolle, die du dir selbst zugewiesen hast.

  2. Konzentriere dich stattdessen darauf, was du wirklich tun kannst, um Balance zu finden.

  3. Versuche, deine „Rolle“ und deine „Verantwortung“ mit Humor zu mildern – du darfst die Maske ruhig einmal abnehmen.

  4. Gib dir selbst ab und zu Raum und tritt einen Schritt zurück, wenn es zu viel wird.

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