Teezeremonie Chanoyu: Die Feier der Achtsamkeit
Chanoyu – wörtlich „der Teeweg“ –, ist weit mehr als ein raffiniertes Ritual, bei dem du ein belebendes Getränk zu dir nimmst. Hier wird jedem Detail Aufmerksamkeit geschenkt. Wie du die japanische Teezeremonie genießen kannst, erklären wir hier.
Eine Teezeremonie für alle Sinne
Das japanische Lebenskonzept Ichigo-ichie, das heißt, eine einmalige Begegnung in der Zeit, trifft voll und ganz auf eine Teezeremonie zu. Selbst wenn Gastgeber:in und Gäste sich täglich sehen, wird das Erlebte sich nie genau gleich wiederholen können. Als eine Art Verankerung in der Gegenwart gilt Chanoyu daher als eine Kunst, bei der all unsere Sinne angesprochen werden:
Geschmackssinn: Stets wird ein Tee von sehr hoher Qualität serviert,
um den Gaumen der Tischgenossen nicht zu
enttäuschen. Für gewöhnlich trinkt man bei einer
Zeremonie nur eine einzige Tasse sehr reinen Tees
und bewahrt dessen Geschmack noch lange im
Gedächtnis.
Geruchsinn:
Auch das intensiv duftende Teearoma ist wichtig,
ebenso wie der Duft der zur Teezeremonie gereichten
Süßigkeiten. Findet die Zeremonie in einem
traditionellen kleinen Teehaus statt, gesellen sich
noch die Düfte des Holzes, der feuchten Gartenerde
und der Bäume hinzu.
Sehsinn:
Die Teeutensilien sind schlicht und zugleich von
großer Schönheit. Ein Teil der traditionellen
Zeremonie besteht darin, diese zu bewundern und in
Anwesenheit der übrigen Gäste zu loben. Auch die
harmonischen Gesten des Teemeisters sind eine
Augenweide, da diese im Verlauf des Rituals eine
genaue Choreografie befolgen.
Tastsinn:
Dieser vierte Sinn wird angeregt durch die Berührung
mit der warmen Schale, die wir zunächst in den
Händen halten, bevor wir sie an die Lippen führen.
Die Schale symbolisiert die durch das Chanoyu
geförderte Kontaktaufnahme mit der Harmonie des
Ortes.
Gehörsinn:
Findet die Zeremonie im Grünen statt, hört man
Geräusche wie die Brise im Laub der Bäume. Bei einer
modernen Teezeremonie darf auch gesprochen
werden.
Mit der Teezeremonie die Freundschaft feiern
Heute können wir die Teezeremonie aus Japan nicht nur im Teehaus, sondern auch daheim in Gesellschaft von Freund:innen zelebrieren. Wichtig ist, dass wir, wenn der Tee beim Chanoyu serviert wird, die Zeit stillstehen lassen und Sorgen, Ärgernisse und Alltagsprobleme beiseite schieben. Wenn du an einer Teezeremonie teilnimmst, solltest du diese mit viel Ichigo-ichie im Herzen vollziehen; würdige die Zeit, die du Tee trinkend mit den übrigen Gästen verbringst, als etwas Außergewöhnliches, das sich nie wieder in der gleichen Weise ereignen wird.
Verhaltensregeln für eine weniger strenge Chanoyu-Teezeremonie
1. Der Ort der Begegnung sollte zur Ruhe einladen, weshalb wir uns möglichst in geschützten Räumen treffen.
2. Zu Beginn der Begegnung begrüßen wir uns mit Ichigo-ichie, um einander daran zu erinnern, dass wir gemeinsam einen nicht wiederholbaren Moment verbringen werden.
3. Während der Zeremonie geben wir der Stille genügend Raum und verzichten darauf, mit irgendeinem Gespräch krampfhaft „die Leere zu füllen“.
4. Während der Unterhaltung meiden wir kontroverse, unangenehme oder stressige Themen. Also alles, was trennend wirken könnte.
5. Wir versuchen vielmehr, die Unterhaltung auf Themen zu lenken, bei denen sich alle wohlfühlen; wir können die Besonderheit des Ortes ansprechen, die Güte des Tees und die Schönheit der Teekanne loben oder von unseren Entdeckungen in Kunst und Kultur erzählen. Kurz, wir wählen Dinge aus, die uns und anderen Freude bereiten.
6. Wichtig ist das Zuhören. Damit sich alle Anwesenden wohlfühlen, vermeiden wir es, den, der gerade spricht, zu unterbrechen, innerlich abzuschweifen, uns mit eigenen Themen zu beschäftigen oder uns schon unsere nächste Antwort zurechtzulegen.
7. Am Ende der Chanoyu-Teezeremonie verabschieden wir uns mit Ichigo-ichie, um einander daran zu erinnern, dass wir etwas Einzigartiges erlebt haben. Etwas, das sich nie genau so wiederholen wird, weshalb wir es im Herzen bewahren möchten.