Die Liebe als Spiegel: So kannst du dich in einer Beziehung heilen
Wahre Nähe zeigt uns nicht nur den anderen, sondern auch uns selbst. Warum Beziehungen unsere tiefsten Wunden berühren – und heilen können

Für mich ist Liebe wie Quecksilber – nicht greifbar. Sobald ich glaube, sie verstanden zu haben, verwandelt sie sich schon wieder in etwas anderes. Auf meinen Verstand kann ich mich dabei nicht verlassen, denn Liebe lässt sich nicht erklären. Auch mein Herz will ich nicht blindlings folgen, denn das Herz glaubt, was es glauben will – und ist launisch. Es ist etwas Tieferes, die Seele, die mich spüren lässt, ob ich bei dem Menschen bin, bei dem ich wirklich sein soll.
Wir projizieren viel auf den anderen in der Liebe
Zu Beginn einer Beziehung sind es oft all die wunderbaren Eigenschaften, die wir im anderen sehen – sie heilen uns, verwandeln uns. Doch später projizieren wir die unangenehmen Seiten: Eigenschaften, die uns triggern, uns verletzen und zu scharfen Reaktionen verleiten. Es liegt an dem anderen! Wir sind doch nur die, die „reagieren“.
Die Liebe ist ein Spiegellabyrinth
Natürlich ist es anders. Die Liebe ist kein Regenschauer, der einfach über uns hinwegzieht – sie ist ein Spiegellabyrinth. Der geliebte Mensch ist ein Spiegel, der schonungslos zurückwirft, wie es wirklich um uns steht. Der oder die Geliebte spürt als Erste:r, wenn du fröhlich bist – aber auch, wenn du gereizt oder schlecht gelaunt bist. Diese Person bekommt deine süßesten Früchte, aber auch deine schärfsten Dornen zu spüren – und du im Gegenzug ebenso die ihren. Das ist nun mal der Deal, wenn man gemeinsam durchs Leben geht.
Manche Menschen verhängen die Spiegel in ihrer Beziehung mit Tüchern, um sich nicht mehr mit ihren wunden Punkten konfrontieren zu müssen – und beginnen, aneinander vorbei zu leben. Andere hingegen erkennen mit der Zeit: Das, was wie eine Last oder ein Problem erscheint, ist in Wahrheit das höchste Ziel der Liebe – sich gegenseitig in den wunden Punkten zu berühren, um alte, unbearbeitete Schmerzen wieder hervorzuholen. Sie erkennen sogar, dass sie sich genau aus diesem Grund diesen Menschen ausgesucht haben.
Dich selbst heilen
Wenn du in den Spiegel schaust – wirklich hinschaust –, genau in dem Moment, in dem dich dein Partner oder deine Partnerin an einem schmerzhaften Punkt trifft, dann spürst du keine Wut mehr auf den anderen, sondern nur noch deinen eigenen Schmerz.
Und wenn du den Mut hast, diesen Schmerz zuzulassen, zurückzugehen zu dem Moment, in dem die Wunde entstanden ist, und sie zu entladen – dann kannst du dich selbst heilen. Das Spiegelbild verliert seine Macht. Es ist nicht länger verzerrt – sondern klar. Und dann geschieht ein kleines Wunder: Die Wunde ist zu einer Narbe geworden, die nun liebevoll von deinem Partner berührt werden kann.
Text: Susan Smit