Wundervolle Einsamkeit - Darum müssen wir manchmal alleine sein
Einsamkeit ist ein Wort, das bei vielen Menschen ein leichtes Frösteln auslöst. Wir empfinden Einsamkeit meist als etwas Negatives, als etwas mit dem man „gestraft“ ist. Die Sozialpsychologie benutzt das Wort als Synonym für tatsächliche soziale Isolation oder für das bloße Gefühl, isoliert zu sein. Doch Einsamkeit muss nicht zwangsläufig schlimm sein. Im Gegenteil, die Abschottung von der Welt hat viele Vorteile für Gemüt, Geist und Gesundheit.
Einsamkeit wurde nicht immer und wird nicht von allen negativ empfunden. In der Aufklärung, der Empfindsamkeit und der Romantik galt sie als notwendig, um zu denken, sich selbst kennenzulernen, in sich hineinzuhören – und auch, um für eine Zeit vor den Zumutungen der Welt zu fliehen. Zwar gab es vor allem in der Romantik einen großen Hang zur Melancholie, doch Einsamkeit wurde als etwas Notwendiges empfunden, als ein Schritt in der Charakterbildung.
In der Kunst ist Einsamkeit sowohl ein Thema als auch ein Mittel zum Zweck. Künstlerinnen und Künstler wie Caspar David Friedrich, Vincent van Gogh, Franz Schubert, Isabella di Morra und Friedrich Nietzsche haben sich in ihren Werken mit der Einsamkeit beschäftigt. Die Abschottung von der Welt, ist aber auch essentiell, um Kunst zu schaffen. Nur, wenn man Momente der Ruhe hat, um in sich hineinzuhören, kann man ein authentisches Abbild der eigenen Empfindungen in eine Form gießen.
Aber auch wenn wir kein Gedicht schreiben wollen: Rückzug ist wichtig! Unser Alltag ist so stressig, wir sind permanent erreichbar und verbunden, es ist immer etwas los. Wir sind zwar soziale Wesen, aber wir brauchen auch Abstand und Stille, um gesund zu bleiben. Für unseren Körper und Geist ist das wie Urlaub. Selbst ein kurzer Moment der Ruhe und des Durchatmens bringt schon viel: das Level des Stresshormons Cortisol sinkt, das Herz-Kreislauf-System beruhigt sich, Blutfett und Zucker werden abgebaut, der Organismus gereinigt. Begibt man sich regelmäßig in die Einsamkeit, wachsen neue Gehirnzellen in der Region des Hippocampus, was zu besserer Konzentration und Lernleistung führen kann. Aber Einsamkeit bringt auch viel für die geistige Hygiene.
Nur in der Einsamkeit können wir uns wirklich mit uns selbst beschäftigen, können uns den schwierigen Fragen stellen, Entscheidungen treffen, über Dinge nachdenken, die uns quälen – und Lösungen dafür finden. Die Einsamkeit ist ein Schlüssel zu menschlichem Wachstum. Deshalb ist es wichtig, dass wir lernen, in der Einsamkeit zu verweilen, ohne uns dabei mies zu fühlen. Wir müssen gezielt immer wieder Einsamkeit und Stille suchen. Manchmal haben wir die Möglichkeit, eine mehrtägige Auszeit in den Bergen oder ein Yoga-Retreat auf einer Insel zu machen. Aber für die meisten von uns ist das als regelmäßige Lösung nicht machbar. Das geht ins Geld und wir haben Berufe, Familien, Kinder und andere Verpflichtungen. Aber wir können Einsamkeit ganz einfach in unseren Alltag einbauen.
Mit voller Absicht
Sich mit Vorsatz in die Einsamkeit begeben und Vorbereitungen treffen: Überlege dir, wann, wo und wie du dich am besten zurückziehen kannst. Terminiere Zeiten der Einsamkeit, blocke sie in deinem Kalender. Tu, was nötig ist, um mehr Einsamkeit in dein Leben zu holen.
Ausstöpseln
Einsamkeit bedeutet auch: nicht erreichbar sein. Das heißt, das Handy ist ausgeschaltet. Oder auf Flugmodus. Oder am besten gar nicht in Reichweite. Klinke dich komplett aus, zumindest für eine kurze Zeit.
Kreative Lösungen
Bastle ein „Nicht stören“-Schild, das du an deine Bürotür hängen kannst. Finde heraus, ob du den Konferenzraum täglich für ein paar Minuten haben kannst. Du sitzt im Großraumbüro? Kauf Dir Ohrstöpsel oder Lärmschutzkopfhörer, um zumindest einen kurzen innerlichen Rückzug möglich zu machen. Die Toilette kann auch eine Alternative sein. Oder du machst einen Spaziergang durch den nächsten Park. Natur ist ohnehin ein wunderbarer Ort, um Einsamkeit zu üben. Zuhause richtest du dir ein Zimmer oder eine Rückzugsecke ein.
Meditation
Die Mutter aller Rückzüge in sich selbst. Meditation ist nachweislich gesund und wir sollten alle meditieren. Fang mit fünf Minuten an, am besten gleich morgens, bevor die ganze Hektik beginnt. Und natürlich am besten täglich. Aber wenn es mal nicht klappt: mit den Schultern zucken und am nächsten Tag wieder einsteigen.