Leben mit den Jahreszeiten: Sommer in deiner Seele
Im Sommer öffnest du dich, zeigst dich so, wie du bist, und lässt alle um dich herum deine Buntheit genießen. Der Sommer ist die Jahreszeit des spirituellen Wachstums. Wie wichtig er für dein Leben ist, erfährst du hier.
Die vielen Seiten des Sommers
Der Sommer ist die Zeit des kraftvollen Feuers, des aufflammenden Lichts, der endlosen, offenen Himmel, der langen, hellen Abende und des aufwirbelnden Bewusstseins, eine Art Ausstrecken zu den Sternen. Die Kunst besteht darin, nicht mit der ganzen Seele in den Himmel zu fliegen und die Verbindung zur Erde zu verlieren. Denn Sommer bleibt nur Sommer, weil ihm Herbst und Winter folgen. Für alles gibt es eine Zeit. Es gibt eine Zeit für Erfolg und eine Zeit für Verlust. Eine Zeit, zu entflammen, und eine Zeit, abzukühlen. Bewusst zu sein, dass es diese tiefere Schicht gibt, fügt dem Ganzen eine Dimension hinzu. Denn es kann nicht immer Sommer sein; Dunkelheit, Kälte und Schwierigkeiten gehören ebenfalls dazu.
Wann ist eigentlich Sommer?
Offiziell beginnt der astronomische Sommer am 21. Juni und endet am 21. September. Der meteorologische Sommer liegt früher: vom 1. Juni bis zum 1. September. Doch „Mittsommer“ – ein altes Konzept – ist die Sommer Sonnenwende am 21. Juni. Dann steht die Sonne quasi still; die Tage werden nicht länger, sondern bleiben für ein paar Tage etwa gleich lang, bevor sie kürzer werden. Was wir als Sommeranfang bezeichnen, ist nach alten spirituellen Traditionen bereits die Mitte, der Höhepunkt des Sommers. Das bedeutet, dass der Sommer eigentlich schon früher, in der ersten Maiwoche beginnt. Und es gibt wirklich einen spürbaren Unterschied in der Atmosphäre zwischen der ersten Hälfte des Sommers, die immer heller wird bis zur Sonnenwende, und der zweiten Hälfte, in der es zwar wärmer wird, aber die Tage schon kürzer werden, also von der Sonnenwende bis etwa August. Die Sommersaison beginnt mit Licht, immer mehr Licht, immer längeren Tagen, und im Licht kommt alles zum Vorschein, was im Boden verborgen war; Blumen und Pflanzen sprießen aus dem Boden und öffnen ihre Herzen. Ab der Sonnenwende verlangsamt sich das Wachstum; wer einen Garten hat, merkt, dass weniger Unkraut zu jäten ist. Die Natur schaltet quasi in den Wartemodus. Was in den heißesten Monaten wächst, tut das fast unsichtbar – bis der Moment gekommen ist, Früchte zu tragen.
Der englische Begriff „Midsummer Day“ bezieht sich nicht auf den 21. Juni, sondern auf den 24. Juni, den Namenstag von Johannes dem Täufer, an dem die Abende wieder eine Minute kürzer werden. Dieser Tag ist traditionell ein wichtiger spiritueller Feiertag.
Viele Kirchen und heilige Stätten der vorchristlichen Zeit wurden so gebaut, dass sie das Licht der „stehenden“ Sonne genau auf den innersten, heiligsten Teil lenkten. In der Kathedrale von Vézelay zum Beispiel, die Johannes dem Täufer geweiht ist, sieht man am 24. Juni einen Lichtweg, der vom Eingang bis zum Altar verläuft, verursacht durch das Sonnenlicht, das an diesem Tag genau durch die Fenster scheint.
Es ist ein Sonnenfest, eine Zeit des Lichts und Feuers. Bereits vor dem Christentum war dieser Tag ein wichtiges Fest des Feuers. Die Kelten entzündeten an diesem Tag Feuer und sprangen darüber, um symbolisch in eine neue Zeit, eine neue Phase, zu springen. Wenn ein Junge und ein Mädchen gemeinsam sprangen, war ihre Bindung für das Leben besiegelt.
An vielen Waldorfschulen wird dieser Brauch weiterhin gepflegt; die gesamte Schule geht mit Blumenkränzen geschmückt in einen Park, und die älteren Schüler dürfen über ein Feuer springen. Dies wird als Übergang zum wahren Selbst gesehen: Du lässt etwas im Feuer zurück, das du nicht mehr brauchst und das nicht mehr zu dir passt.
Früher glaubte man, dass die Grenze zwischen der materiellen und der geistigen Welt zu diesem wichtigen Zeitpunkt des Jahres dünner ist als sonst. Das bedeutet: Du kannst leichter als sonst Zwerge und Elfen, Naturwesen und vielleicht sogar Engel sehen.
Wachstumsschub der Seele
Wenn du Kinder hast, kennst du sicher den Effekt: Nach den Sommerferien sind sie plötzlich ein ganzes Stück größer geworden, als hätten sie einen Wachstumsschub erlebt. Sie sind nicht nur äußerlich gewachsen, sondern auch innerlich: Sie sind klüger geworden, reifer. Bereit für die nächste Schulklasse, die nächste Schule, den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung. Es kann dich überraschen, wenn du es plötzlich bemerkst: „Oh, dieses Fahrrad ist jetzt wirklich zu klein geworden, und wir brauchen dringend neue Schuhe.“ Oder: „Was für kluge Bemerkungen macht mein Kind plötzlich…“ Ähnlich ist es, wenn du von einem langen Urlaub nach Hause kommst und gespannt schaust: Was ist im Garten alles passiert? „Wow, wie hoch steht das Gras, und schau dir diese strahlenden Sonnenblumen an!“ Ein wunderbarer Effekt: Nicht durch harte Arbeit hervorgerufen, sondern durch die Ferien. Unbemerkt hat sich etwas verändert, ist gereift – gerade in der langen, trägen Zeit des Nichtstuns, der Entspannung und des Loslassens. So arbeitet die Natur im Sommer, und das spürt man nicht nur draußen, sondern auch in der eigenen Seele.
Auch Tage der Traurigkeit im Sommer
Doch nichts kann unendlich wachsen und blühen. Auch deine Seele kennt Winter, Frühling, Sommer und Herbst. Niemand kann nur gewinnen und niemals verlieren. Keine Pflanze, kein Tier und kein Mensch kann ewig leben und nie sterben. Warum ist das so? Der indische spirituelle Lehrer Osho erzählte eine schöne Geschichte darüber.
Eines Tages, als Gott noch auf der Erde wandelte, begegnete er einem Bauern, der sich etwas beklagte. „Hör mal, Gott,“ sagte der Bauer, „du magst die Welt erschaffen haben, aber von Landwirtschaft hast du wenig Ahnung.“ Gott fragte höflich, ob der Bauer einen Rat für ihn hätte. „Gib mir ein Jahr,“ sagte der Bauer, „und lass mich jeden Tag bestimmen, welches Wetter herrschen soll, und dann wirst du sehen, wie gut alles gedeihen wird.“
Gott war einverstanden, und ein Jahr lang durfte der Bauer genau sagen, was mit seinen Ernten geschah. Er bestellte immer gutes Wetter, viel Sonnenschein und gelegentliche sanfte Regenschauer, aber nie Hagel, Donner, Blitz oder stürmische Winde. In diesem Jahr wuchs das Getreide höher als je zuvor, und der Bauer zeigte stolz darauf: „Schau, Gott, so sollte es sein.“ Doch als die Ernte eingefahren wurde, waren alle Ähren leer – es wuchsen keine Körner darin. Verblüfft klopfte der Bauer an Gottes Tür. Was war schiefgelaufen?
Und Gott erklärte: „Weil es keine Herausforderungen, keine Konflikte, keine Reibung gab, weil du allem aus dem Weg gegangen bist, was auch nur den geringsten Ärger verursachen könnte, ist das Getreide unfruchtbar geblieben. Schwierigkeiten gehören dazu; Sturm und Blitz gehören dazu. Sie wecken die Seele des Getreides auf.“
So ist es auch im Leben, sagte Osho: „Wenn du immer nur glücklich wärst, wäre es wie mit weißer Kreide auf eine weiße Wand zu schreiben. Tage der Traurigkeit sind genauso wichtig wie Tage der Freude. Je mehr du dies verstehst und den Lebensrhythmus, die Dualität und Polarität erkennst, desto weniger Fragen stellst du, desto weniger wählerisch wirst du. Dann hast du das Geheimnis gefunden. Du wirst immer noch ab und zu traurig sein, aber du siehst das Gefühl nicht als Feind an. Es ist dein Freund geworden, weil du weißt, wie sehr du es brauchst, und die Gnade darin erkennst.“
Und nach dem Sommer ... ernten
Nach dem Sommer kommt der Herbst: Die Früchte sind reif, die Ernte wird eingebracht, und die Tage werden kürzer. Es wird kälter, der Wind weht auf, und Herbststürme fegen die letzten Blätter von den Bäumen. Dann kommt der Winter, und alles wird kahl und still. Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, war einer der Ersten, die darauf hinwiesen, dass die Erde keine tote Materie ist, sondern ein lebendiger Organismus. Wie ein Lebewesen ein- und ausatmet, tut das nach seiner Vorstellung auch die Erde – durch die Jahreszeiten. Herbst und Winter sind die Zeit, in der sich die Energie der Erde wieder nach innen wendet; das Ausatmen des Frühlings und Sommers verwandelt sich in ein Einatmen. Die Lebenskraft zieht sich in den Boden zurück, Pflanzen welken, Tiere suchen ihre Höhlen auf, und alles kommt zur Ruhe. Und wenn wir uns mit dieser natürlichen Energie nähren wollen, richten auch wir unsere Aufmerksamkeit langsam, aber sicher nach innen. In der dunklen Jahreszeit wächst in der Tiefe unserer Seele etwas Neues heran, genauso wie draußen in der Natur die Samen liegen und die Knospen an den Bäumen ruhen. Denn das wirklich Neue braucht immer viel Zeit, Ruhe und Geduld, eine lange ungestörte Anlaufphase, bevor es zart und zerbrechlich endlich zum Vorschein kommen kann.
Kind von Erde und Kosmos
In der anthroposophischen Lehre erinnert man sich im Sommer, wenn man ganz nach außen gerichtet ist, daran, dass man ein irdisches Menschenkind ist. Im Winter, wenn die ganze Natur still ist und schläft, vergisst man nicht, dass man ein Kind des Kosmos, der göttlichen Welt ist. Dafür gibt es die großen Jahresfeste, um das Bewusstsein für diese Paradoxien in der menschlichen Seele lebendig zu halten. Der Sankt-Michaelstag im Herbst ist das Fest des Mutes; wir brauchen den Mut, in die Dunkelheit zu gehen, ohne das Licht zu vergessen. Natürlich ist Weihnachten das große Fest des Lichts, wenn die Tage wieder länger werden und wir die Geburt Jesu feiern, der gemäß der Tradition das Christusbewusstsein für alle öffnete. Mitten im Sommer feiern wir am 24. Juni das Johannisfest. Johannes, der Prophet, taufte die Menschen im Jordan zur Vorbereitung auf Jesus. Heute würden wir vielleicht sagen: Vergiss bei all der süßen Sommerfreude nicht, dass du ein Christusbewusstsein hast. Dass du nicht nur freudig Piña Coladas, Bikinis und rosarote Sonnenbrillen genießen kannst, sondern dich immer deiner spirituellen Entwicklung, deiner Lebensaufgabe, deines Grundes für das Hiersein bewusst bleibst. Sei keine Motte, die in die Flamme fliegt, kein Meteor, der aufleuchtet und sofort wieder verglüht. Sei ein Menschenkind mit wachsendem Bewusstsein, ein fühlendes, denkendes und empfängliches Wesen, das im Einklang mit den Jahreszeiten lebt.
16 tolle sommerliche Aktivitäten, die du machen und abhaken kannst:
Picknicken
Ein Sommerritual finden
Yoga in der Natur
Bewusst die Sonne genießen
Nichtstun
Ein Eis essen
Ein Buch lesen
Ein Mandala malen
Draußen meditieren
Einen Spaziergang machen
Draußen schwimmen
Barfuß laufen
Musik machen
Zu den Sternen gucken
Selbstmassage
Fahrradfahren