Phönix: Vogel der Weisheit und Hoffnung

„Auferstehen wie ein
Phönix aus der Asche“
– Diesen Ausdruck
 kennen wir alle. Aber woher stammt er? Die Geschichte des Phönix-Vogel beginnt im alten Ägypten und wurde in den darauffolgenden Jahrhunderten an die Zeit angepasst. Für uns ist er ein Symbol der Widerstandsfähigkeit, der Hoffnung und
Transformation.

Phönix Vogel im Feuer
Der Phönix-Vogel ist ein uraltes Wesen, dass uns Kraft schenken kann. Foto: Canva.com

Feuer und der Phönix-Vogel

Ein rost-goldener Vogel, so groß wie ein Geier, mit einem etwas schmuddeligen Federkleid. Das ist es, was Harry Potter sieht, als er das Büro von Schulleiter Dumbledore betritt. Er kommt vorsichtig näher, der Vogel schaut ihn an und geht dann in Flammen auf. Weg ist er. Genau in diesem Moment betritt Schulleiter Dumbledore den Raum. „Ich kann nichts dafür!“, 
sagt Harry erschrocken. „Er ist einfach in Brand geraten!“ Dumbledore reagiert gelassen: „Es wurde auch langsam Zeit, der Vogel sah schon seit Tagen schrecklich aus.“ Auf Harrys erstaunten Blick hin sagt er: „Felix ist ein Phönix, Harry. Sie gehen in Flammen auf, wenn es Zeit 
für sie ist zu sterben, und dann werden sie aus der Asche wiedergeboren.“ Und verdammt, im Haufen glimmender Asche bewegt sich tatsächlich etwas: Ein Kopf taucht auf, ein Schnabel. Gurrende Geräusche. „Ach“, sagt Dumbledore entzückt. „Faszinierende Wesen, Phönixe! Sie können immense Lasten tragen, und ihre Tränen haben heilende Kräfte.“

Wiedergeburt nur alle 500 Jahre

Wie ein Phönix aus der Asche auferstanden – dieser Ausdruck wird für 
alles verwendet, was buchstäblich niedergebrannt ist, und für jeden, der sich nach einem Schlag des Lebens wieder aufgerappelt hat. Aber was steckt hinter dem Phönix-Vogel? Die Autorin J.K. Rowling beschreibt ihn als „so groß wie ein Schwan, mit einem langen, goldenen Schwanz, Schnabel und Beinen. Er baut sein Nest auf Berggipfeln und kommt in Ägypten, Indien und China vor.“ Aber das ist der Phönix von heute: ein Fabelwesen. Das ist nicht, wie seine Geschichte vor vielen Tausend Jahren begann, im alten Ägypten. Dort hieß der sich selbst verjüngende Vogel Benu und erinnerte auf Bildern am ehesten an einen Reiher. Der griechische Historiker Herodot
besuchte die heilige ägyptische Stadt Heliopolis im fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. „Sie haben auch einen heiligen Vogel namens Phönix“, notierte er. „Den habe ich selbst noch nie gesehen, außer auf Abbildungen. Er ist sehr selten, er erscheint nur alle fünfhundert Jahre, wenn der alte Phönix stirbt.“ Er hörte zudem, dass der Phönix eigentlich aus Arabien kommt. Der Vogel bringt seine gestorbene Mutter nach Heliopolis und beerdigt sie dort. Es wird genau erzählt, wie: Zuerst formt er eine Kugel aus Myrrhe, die er dann aushöhlt. Dann steckt er seine gestorbene Mutter hinein, bedeckt sie wieder mit frischer Myrrhe und fliegt mit dem Päckchen nach Ägypten, um es in einem Tempel der Sonne abzulegen. Herodot fand die Geschichte wohl nicht besonders glaubhaft, das könnte der Grund sein, dass das Aussehen dieses Vogels plötzlich anders ist: Er beschreibt ihn als eine Art Adler, mit roten und goldenen Federn. Und er heißt nicht Benu, sondern Phönix – vielleicht lag es an seiner Farbe, dem Purpur, mit dem die Phönizier ihre Gewänder färbten.

Fenghuang, der chinesische Phönix, und Ho-oo, die japanische
Variante

Während in Ägypten über Jahrhunderte hinweg der Benu als göttlicher Vogel verehrt wurde, landete in China einer anderer mystischer Vogel im Inneren des kaiserlichen Palastes: der Feng­huang. Der Vogel war unsterblich und lebte zusammen mit dem ebenso sanften Einhorn im Kunlun-Gebirge, dem Land der Weisen. Wenn er einen Kaiser besuchte, zeigte das, wie tugendhaft dieser war, und sein Besuch garantierte eine ruhige Regentschaftszeit. 
Verschwand der Vogel, deutete 
das auf nichts Gutes hin. Fenghuang symbolisiert auch Yin und Yang, das männliche und das weibliche Prinzip. Während
 der Kaiser als Nachfolge der Drachen betrachtet wurde, galt die Kaiserin als der Phönix der Familie.
Bereits im 5. und 6. Jahrhundert breitete sich der Mythos und das Bild des Vogels auch nach Japan aus, wo er Ho-oo genannt wird und oft als zwei Vögel (männlich und weiblich) dargestellt wird.

Phönix – Ein Vogel mit Symbolkraft

Danach tauchte der Phönix-Vogel regelmäßig in Geschichten auf, immer anders und doch immer gleich, wie bei einem Spiel von „Stille Post“, bei dem sich die Details ändern, aber die Essenz bleibt. So wurde der Phönix etwa fünfhundert Jahre nach Herodot im Buch „Die Metamorphosen“ von Ovid wiedergeboren, der ihn als einen Vogel beschrieb, der für immer und ewig er selbst ist. Wenn er fünfhundert Jahre gelebt hat, baut er ein Nest aus duftenden, kostbaren Kräutern, Myrrhe und Zimt in der Spitze einer schaukelnden Palme und stirbt, während Weihrauch seine Seele mitnimmt. Und dann erhebt sich aus seiner Brust ein kleiner Phönix, und die Geschichte beginnt von vorne. Die Farben Gold 
und Rot blieben meistens gleich, aber einige notierten, dass der Phönix einem Pfau ähnelte. Der Phönix war ein Symbol für die Unsterblichkeit des Römischen Reiches, 
die frühen Christen sahen darin eine Anspielung auf die Auferstehung Christi und die Unsterblichkeit im Jenseits. Im 16. Jahrhundert wählte Königin Elizabeth I. den Phönix als Wappen. Und sie hatte recht, denn wer hätte je gedacht, dass sie ihren Vater Heinrich VIII. ersetzen würde? Sie war die Tochter von Anne Boleyn, die enthauptet wurde. Abgeschrieben, abgelehnt und dann doch auf dem Thron. Dann darfst du auch Münzen prägen lassen, auf denen ein Phönix abgebildet ist. Erst im 17. Jahrhundert wurde der Phönix endgültig ins Reich der Fabeltiere verwiesen – nein, er existierte nicht wirklich, das hatte Herodot im Grunde auch schon gesagt. Aber er war deshalb nicht weniger beliebt. In den letzten Jahrhunderten wurde nach dem Ursprung und einer Erklärung des Mythos gesucht: Es begann sicherlich irgendwann in der Antike mit einem Raubvogel, der auf einem Altar ein brennendes Opfer mitgenommen hatte. Oder vielleicht bezog sich der ägyptische Benu in der Zeit, als die Paläontologie aufkam, auf prähistorische Riesenvögel! Wenn die Geschichte etwas deutlich macht, dann ist es, dass nicht nur der Phönix immer wieder geboren wird, sondern auch seine Rolle und Bedeutung. Als Mythos, Maskottchen, göttlicher Vogel oder Fabeltier … Und jetzt?

Kette mit Phönix Anhänger
Erwecke den Phönix-Vogel in dir. Foto: Canva.com

Was der Phönix-Vogel uns übers Leben verrät

Wir suchen die Weisheit des Phönix und sehen darin ein Symbol für Trost, Hoffnung und persönliches Wachstum. Der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung, der sich mit der Beziehung zwischen Menschen und ihren Symbolen befasste, sagte bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts: „Der Phönix und der Mensch haben viele Ähnlichkeiten. Die Idee
 eines Vogels, der in Flammen aufgeht, wiedergeboren wird und weiterlebt, 
ist ein Symbol für Stärke, Hoffnung und Transformation.“ Der Phönix steht für Resilienz. Städte, die in Flammen aufgehen und in denen Menschen neue Häuser bauen – die gleichzeitig dasselbe sind, aber auch anders. Besser. Denn das ist es, was passiert, wenn alles in Flammen aufgeht: Du hast die Chance, von vorne zu beginnen. Nicht mehr herumprobieren mit einer kleinen Verbesserung hier und einer kleinen Anpassung dort. Sondern wirklich ganz von vorne anfangen. Was Dumbledore bemerkte: Der Phönix kann schwere Lasten tragen, und die Tränen des Phönix können Wunden heilen. Als Harry Potter tödlich verletzt wird, setzt sich der mittlerweile wieder vollständig gewachsene Phönix neben ihn. Er träufelt Tränen auf die Wunde, die heilt.

Du bist ein Phönix
in deinem Leben

Vielleicht ist dies also die Lehre des Phönix-Vogels: Es ist überhaupt nicht so verrückt, sich selbst von Zeit zu Zeit zu erneuern. Deine Schätze um dich herum zu sammeln, Bilanz zu ziehen und dein altes Selbst in einen Korb zu legen, ein schönes Paket daraus zu machen und es dann symbolisch auf einem Altar für den Sonnengott zurückzulassen.

  • Manchmal tun wir es buchstäblich: Wir ziehen in den Süden, liegen eine Weile in der Sonne, bis wir verbrannt sind, und kommen wiedergeboren zurück.

  • Wir tun es im übertragenen Sinne: Alle Brücken hinter uns abbrechen und ganz von vorne anfangen.

  • Manchmal tun wir es zwangsläufig: Wir bekommen einen Burn-out, der zu einem Stillstand und einer Besinnung führt, vielleicht zur Läuterung, es ist neben all dem Elend auch eine Gelegenheit, sich selbst neu zu erfinden, es von nun an anders zu machen.

Vielleicht kommst du nicht darum herum: Wenn das Gewicht von allem, was du nicht willst, zu schwer wird, wenn es unvermeidlich wird, zu verändern und zu erneuern, ist es manchmal notwendig, Dinge hinter dir zu lassen, dich von deinem alten Selbst zu verabschieden. Wie D.H. Lawrence in seinem Gedicht über den Phönix schreibt: „Bist du bereit, weggewischt, ausgelöscht, abgesagt, zu nichts gemacht, vergessen zu werden? Wenn nicht, wirst du dich nie wirklich ändern.“ Das ist es, was der Phönix tut: Verschwinden, wirklich in Flammen aufgehen, bis nichts mehr übrig ist als ein Haufen Asche, im Vertrauen darauf, dass er danach wieder aufersteht. Schön, aber auch beängstigend. Dinge hinter uns lassen – das tun wir nicht gerne. Und deshalb brauchen wir den Phönix. Als Symbol der Hoffnung und des Vertrauens. Denn in einem Haufen glimmender Asche sitzt irgendwo ein winzig kleiner Vogel, ganz neu und gleichzeitig so alt wie die Menschheit, der nur ein wenig Zeit braucht, um zu wachsen, und dann kann er wieder fliegen.

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