Die Macht des Verzichts: Richtig fasten für Gesundheit und Geist
Woran denkst du beim Fasten? An „Abnehmen“ und „Gesundwerden“ vermutlich. In den großen Weltreligionen ist Fasten jedoch vor allem ein Mittel, um Einkehr zu halten und zu erforschen, wo du im Leben stehst. Deshalb praktizieren Muslime den Monats des Fastens, den Ramadan, in dem sie, in Nachahmung des Propheten Mohammed, zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nicht essen oder trinken, um den Geist zu reinigen und spirituelle Vertiefung zu erreichen. Deshalb gibt es im Judentum verschiedene Tage des Fastens, um Ereignissen der jüdischen Geschichte zu gedenken. Und deshalb feiert die katholische Kirche in den Wochen vor dem Osterfest die Fastenzeit, in Anlehnung an Jesus, der vierzig Tage in der Wüste fastete, um spirituelle Erleuchtung zu erlangen. Was der Verzicht in dir bewirken kann und wie du richtig fasten lernst, erklären wir dir hier.
Richtiges Fasten benötigt Vertrauen und Disziplin
Ursprünglich wurde während der katholischen Fastenzeit nur nach Sonnenuntergang gegessen. Heute geht es beim Fasten vor allem um Bescheidenheit: kein Naschen, Rauchen, Trinken oder übermäßiges Essen. Auch Hinduist:innen und Buddhist:innen praktizieren das Fasten. Die Weltreligionen mögen in vielerlei Hinsicht miteinander im Konflikt liegen, aber worin sie sich einigermaßen einig sind, ist, dass der Mensch nicht besser wird, wenn er sich hemmungslos den fleischlichen Gelüsten hingibt. Deshalb streben sie jede auf ihre eigene Weise nach Askese: nach einem reinen Lebensstil durch die Zurückhaltung von Versuchungen und die Anwendung von Selbstdisziplin. Wenn dein Körper ein Tempel ist, ist das richtige Fasten der Besen, mit dem du den Boden fegen kannst. Wahrscheinlich fragst du dich, wie der Hunger, der mit dem Fasten einhergeht, dir helfen kann, zu einem tieferen religiösen Bewusstsein zu gelangen. Der Körper empfindet das Nicht-Essen als eine Bedrohung und lässt es dich wissen: Dein Magen fängt an zu knurren, vielleicht zitterst du oder fühlst dich schwach. Wer Hunger hat, kann nur an eines denken: Essen! Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Um die Hilferufe deines Körpers zu ignorieren, ist daher viel Willenskraft und Disziplin erforderlich. Du musst beim Fasten darauf vertrauen, dass du es überleben wirst. Dieses Vertrauen, diese Willenskraft und Disziplin kannst du finden, indem du dich auf etwas richtest, das höher und stärker ist als du selbst: das Göttliche. Nur mit dieser Unterstützung bist du in der Lage, deine menschliche Schwäche zu überwinden. Diese Erfahrung lehrt dich außerdem, demütig zu sein. Als Mensch schaffst du es allein nicht. In dieser Erkenntnis liegt eine große Kraft.
Modernes Fasten für die Gesundheit
In unserer Überflussgesellschaft ist Askese ein vergessenes Wort. Wir essen, trinken, tindern und whatsappen den ganzen Tag über. Vielleicht ist deshalb das intermittierende Fasten in Mode, und viele Menschen suchen nach neuen Formen der Askese? Dry January ist nichts anderes als eine moderne Form des Fastens. Und bewusst einen Monat lang auf Social Media zu verzichten, auch. Es ist eine Suche nach Reinheit und Einfachheit, in der mehr Raum für Spiritualität ist. Veganer:innen, die tierische Produkte meiden, tun dies nicht, um schlanker zu werden. Dahinter steckt ein starkes moralisches Bewusstsein für den Wert und die Rechte des Tieres. Ein tiefer Wunsch, selbst ein besserer Mensch zu werden, indem man anders mit Tieren umgeht. Auch wenn das bedeutet, dass du einen Käse ablehnst, bei dem dir das Wasser im Mund zusammenläuft. Immer mehr Menschen besuchen (buddhistische) Klöster für eine Retreat, bei der sie ihr Smartphone abgeben, stundenlang meditieren und einfache Mahlzeiten zu sich nehmen. Du hast die Wahl: gedankenlos deinem Verlangen nachzugeben oder achtsam zu erleben, was passiert, wenn du diesem Verlangen widerstehst. Ersteres gibt sofortige Befriedigung, Letzteres bringt Zufriedenheit und Glück auf lange Sicht. Bekannt ist, dass Tiere, die eine kalorienreduzierte Diät erhalten, deutlich länger leben als Artgenossen, die sich den ganzen Tag über aus einem vollen Futternapf bedienen können. Dies gilt für Würmer, Ratten und Affen – und wahrscheinlich auch für Menschen. Gesundheit und Fasten liegen also nah beieinander. Der Grund dafür liegt in der Leber, dem Energiezentrum des Körpers und dem Sitz der Emotionen. Ein Überfluss an Zucker, Fett und Alkohol, der in den Körper gelangt, muss von der Leber verarbeitet werden. Bei einem Übermaß weiß dieses Organ nicht mehr weiter. Die Leber kann insulinresistent werden, was der Anfang einer Lawine von Wohlstandskrankheiten ist: Übergewicht, chronische Entzündungen, Diabetes Typ 2, hoher Blutdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zur Fettleber.
Atempause für den Körper durch intermittierendes Fasten
Es wird klar, fasten ist gesund. Dank ausreichender Pausen zwischen den täglichen Mahlzeiten kann die Leber durchatmen. Der Körper verbrennt überschüssige Fette und Zucker, und die Leber hat Zeit, sich für die nächste Ladung Nahrung zu reinigen. Das kannst du erreichen, indem du hin und wieder ein paar Wochen lang detoxt oder eine Diät machst, aber noch besser ist es, täglich ausreichend Ruhepausen einzubauen. Das ist im Grunde das, worum es beim intermittierenden Fasten geht:
Die Grundregel dieser Methode ist, dass du nur innerhalb eines festen Zeitfensters von maximal 12, 10 oder 8 Stunden Nahrung zu dir nimmst. Auf diese Weise gönnst du deiner Leber und deinem Körper eine Ruheperiode von mindestens 12 Stunden, in der alle Nahrung in nutzbare Energie anstatt in Fett umgewandelt werden kann.
Richtig Fasten: So klappt's!
Die 12-Stunden-Pause mag vielleicht nicht so lange erscheinen, aber die meisten Menschen kommen bei einem normalen Tagesablauf selten über acht Stunden, in denen sie keine Nahrung zu sich nehmen, hinaus. Nach dem letzten Glas Wein mit ein paar Nüssen oder einem Stück Käse vor dem Schlafengehen steht morgens früh schon der Joghurt mit Haferflocken oder das Sauerteigbrot bereit. Intervallfasten kann mit jeder erdenklichen Diät kombiniert werden, von Paleo bis vegan. Das ist auch gleichzeitig der Punkt, an dem du Fehler machen kannst: Wenn du innerhalb des Zeitfensters, in dem du essen kannst, nur Fast Food zu dir nehmen würdest, ist die Erfolgswahrscheinlichkeit gering. Chips, Kekse, Eis, Pizza und andere Kalorienbomben sind so gemacht, dass du davon hungrig wirst, und das ist schwierig, wenn einige Stunden später deine „Fastenzeit“ wieder beginnt. Außerdem enthalten diese Produkte zu wenige Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe, um dich wirklich zu ernähren. Gelegentlich ein „guilty pleasure“ ist natürlich kein Problem, aber wähle beim richtigen Fasten (auch bei der intermittierenden Variante) vor allem gesunde Lebensmittel wie Gemüse und Obst, Nüsse, Vollkorngetreide, Fisch und Hülsenfrüchte.