Zahnarzt-Angst: Was hilft dagegen?
Menschen mit Zahnarztphobie und anderen Zahn-Ängsten begegnet Dr. Bettina Kanzlivius täglich – sie ist als „Zahnpsychologin“ in der Beratungsstelle Seele & Zähne tätig und verrät uns im Interview, wie sie Patienten hilft und was jeder selbst tun kann.

Was steckt hinter der Zahnarzt-Angst?
Meistens die Angst vor Schmerzen, vor einem Ausgeliefertsein sowie die Angst vor Ablehnung bzw. Scham. Überwiegend resultieren diese Befürchtungen von einem negativen Erlebnis, das die Betreffenden in der Vergangenheit hatten .
Wie helfen Sie den Patienten bei extremer Zahnarzt-Angst?
Vor allem mit eigentlich Selbstverständlichem: Ich nehme mir Zeit, bin stets behutsam, freundlich, zugewandt und ehrlich zu dem Patienten und nehme ihn als Mensch wahr, der über sich selbst entscheidet. Ich behandle die Zähne nur unter Betäubung – und ob und wann diese wirkt, entscheidet allein der Patient. Sollte diese nicht greifen, gibt es weitere Möglichkeiten, wie etwa Narkose, Hypnose. Doch meistens ist das gar nicht notwendig, denn – und das ist oft das Wichtigste – ich erinnere die Patienten an ihre Selbstbestimmung.
Wird die Selbstbestimmung oft vergessen?
Ja, sowohl von den Patienten als auch von den Behandlern. Niemand muss etwas beim Zahnarzt durchhalten. Die Angst ist nicht jeden Tag gleich stark, und wenn dann die Tagesverfassung des Betreffenden eine Behandlung nicht oder nicht im geplanten Umfang zulässt, „darf “ er gehen. Dann wird versucht, die Behandlung zu einem anderen Termin fortzusetzen. Und: Jeder hat auch Gestaltungsmöglichkeiten, indem er sich fragt: Was brauche ich, damit ich mich leichter auf die Behandlung einlassen kann, etwa Bedenkzeit, umfassendere Aufklärung, die Vereinbarung eines „Stopp-Signals“ oder Hypnose. Hier geht es auch darum, für sich selbst einzustehen.
Gibt es weitere Ängste im Zusammenhang mit Mund und Zähnen?
Ja, und diese nehmen sogar weiter zu. So haben einige Patienten Angst, dass sie Parodontose, Karies oder schiefe Zähne bekommen. Doch ihre Sorge ist so übergroß und Gedanken vereinnahmend, dass sie darunter leiden und teilweise erheblich in ihrem Leben eingeschränkt sind.
Aber hinter dieser Fokussierung steht ein anderes Problem...
Meistens ja. Und wenn diese Ängste das Leben so dominieren und den Alltag einschränken, kommen die Betroffenen da oft auch nicht mehr allein raus. Dann ist der Punkt erreicht, dass wir in der Beratungsstelle dem Patienten psychotherapeutische Unterstützung anraten und vermitteln.
Wie gehen Sie da vor?
Wichtig ist auch hier wieder, dass wir den Patienten sehr ernst nehmen. Denn auch wenn es psychische Zusammenhänge gibt, empfindet der Betreffende seine Beschwerden, seine Angst real. Er leidet wirklich, unabhänging von der zugrundeliegenden Ursache. Allein, wenn wir dieses Verständnis entgegenbringen – empathisch sind, zuhören und nachfragen – fühlen sich die Patienten angenommen. Und so können wir gemeinsam mit ihnen neue Sichtweisen auf das Problem eröffnen: Wir zeigen auf, dass vielleicht belastende Lebensereignisse, Stressfaktoren oder Umbruchsituationen eine auslösende Rolle spielen könnten – und wie er diese angehen kann, etwa mithilfe einer Psychotherapie. In deren Rahmen lernen die Betroffenen etwa, loszulassen und zu akzeptieren, dass sie im Leben nicht alles beherrschen und kontrollieren können oder dass sich nicht alle Risiken ausschließen lassen. So gewinnen sie Lebensqualität.
Wo finden Betroffene von Zahnarzt-Angst Hilfe, die nicht zu Ihnen kommen können?
Zum Beispiel können unter www.zahnarzt-arztsuche.de bundesweit Zahnärzte nach Spezialisierungen gesucht werden, wie etwa Zahnarzt-Angst, Spritzenphobie, Hypnose oder ganzheitliche Zahnheilkunde.