Die Kraft der Gefühle: Mit Gefühlsbereitschaft zu einem erfüllten Leben
Nicht alle Emotionen fühlen sich gut an. Manche werfen uns aus der Bahn und wir versuchen sie wegzudrücken. Durch Gefühlsbereitschaft integrieren wir alle Gefühle und schaffen ein erfülltes Leben in all seinen Facetten.
Deine Gefühle sind wohlwollende Botschaften
Wut, Trauer, Angst oder Eifersucht – oft neigen wir dazu, solche Gefühle zu verdrängen, die Augen vor ihnen zu verschließen oder uns gegen sie zu wehren. Doch wenn wir sie unterdrücken, gewinnen sie nur noch mehr Macht über uns. Fühlen wir sie stattdessen bewusst, fällt uns der Umgang viel leichter. So übernehmen wir wieder die Verantwortung, werden gefühlsbereit.
Autor und Psychologe Lukas Klaschinsky beschreibt in seinem Buch “Fühl dich Ganz“ (Knaur) wie uns Gefühlsbereitschaft gelingt und wie diese unser Leben so viel erfüllter werden lässt. „Weil wir auf keine Gefühle verzichten können, gibt es meiner Meinung nach nicht wirklich negative und positive Gefühle. Alle Emotionen sind Boten wichtiger Informationen,“ erklärt Klaschinsky. Gefühle sind ein essenzieller Bestandteil der menschlichen Erfahrung.
Die Macht von Gefühlsbereitschaft
Im Leben dreht sich alles um Gefühle. Deshalb verändert es alles, sich emotional zu öffnen: Viele Menschen begleitet eine Distanz zwischen ihnen und ihrer Gefühlswelt durchs Leben. Sie schützt uns, lässt uns aber auch so vieles, was darunter liegt, verpassen.
Der Autor beschreibt in “Fühl dich ganz“, dass er zwar ein angenehmes, aber kein tief bewegendes und erfülltes Leben führte. Es war, als hielte ihn ein unsichtbarer Sicherheitsabstand davon ab. „Jede Verletzung perlte an mir ab, nichts kam so richtig an mich heran.“ In seiner Arbeit als Psychologe stellte er schnell fest: Damit bin ich nicht allein. Vielen Menschen geht es ähnlich.
Das Streben nach ausschließlich angenehmen Gefühlen lässt uns in Kauf nehmen, dass wir stattdessen gar nichts fühlen. Aber ist es das wert? Laut Lukas Klaschinsky liege es in unserer Natur, nach angenehmen Gefühlen zu streben und unangenehme möglichst zu vermeiden. Doch stellt sich die Frage, ob das tatsächlich die Definition eines erfüllten Lebens ist.
Am Ende geht es immer ums Gefühl
Wenn wir uns fragen, was uns im Leben wirklich antreibt, zeigt das Buch, dass es um Beziehungen, Selbstverwirklichung, Anerkennung, Freude und Selbstwert geht. Alle diese Bedürfnisse haben etwas gemeinsam: Es geht um das Gefühl.
Unsere Gefühle werden häufig durch erlernte Glaubenssätze beeinflusst. Wenn wir nach einem erfüllten Leben streben, sind es oft alte Muster, die uns fremdbestimmen. Ein weitverbreiteter Glaube ist, dass unangenehme Gefühle verschwinden, wenn wir ihnen aus dem Weg gehen. Doch, wie Klaschinsky erklärt, „die unangenehmen Gefühle tauchen früher oder später auf, egal, wie stark wir uns dagegen wehren.“
Die Lösung liegt daher nicht in der Vermeidung, auch wenn es verlockend erscheinen mag. Ein erfülltes Leben erfordert vielmehr die Integration aller Facetten des Lebens, einschließlich unserer inneren Wegweiser – unserer Gefühle. Auch wenn sie oft mit Kontrollverlust verbunden sind, können wir sehr wohl den Umgang mit ihnen beeinflussen.
Gefühlsbereitschaft: Werkzeuge fürs Leben
Mit Werkzeugen für Gefühlsbereitschaft zeigt Lukas Klaschinsky in “Fühl dich Ganz“ verschiedene Wege auf, wie wir unsere Gefühle besser integrieren können. Viele Ansätze stammen aus der “Akzeptanz- und Commitment- Therapie (ACT)“.
“Wir lernen uns im wahrsten Sinne des Wortes kennen: Was bedeutet das Drücken in meiner Brust? Das Kribbeln in meinem Bauch? Die Enge in meiner Kehle? Und: Was steckt eigentlich hinter der Wut, der Trauer, dem Glück?“ Wagen wir uns, aufkommende Gefühle bewusst zu fühlen, halten sie tatsächlich nur 90 Sekunden an. Unterdrücken wir sie allerdings, hallen sie sehr viel länger nach, können sich im Anschluss sogar stärker anfühlen.
Gefühle als Wegweiser: Jedes hat eine Aufgabe
Wenn wir den Sprung in die Gefühlsbereitschaft wagen, werden wir oft positiv überrascht. Wir erkennen schnell, dass jedes Gefühl nur aus einem Grund aufkommt: um uns zu helfen. Jedes Gefühl hat eine Aufgabe, die darauf abzielt, uns zu unterstützen.
Mitgefühl statt Scham
Scham entsteht, wenn wir Erwartungen nicht erfüllen, fördert aber auch Selbstreflexion und Mitgefühl. Selbstmitgefühl, also die Fähigkeit, freundlich und verständnisvoll mit sich selbst zu sein, ist das Gegenmittel gegen Scham. Es hilft uns, liebevoll mit uns selbst umzugehen und aus Misserfolgen zu lernen.
Trauer schafft Verbindung
Trauer zeigt uns, wie wichtig uns Menschen waren, und bringt eine enorme Energie mit sich, da sie oft eine Neuorientierung im Leben erfordert. Jeder trauert individuell, doch eine Sache bleibt gleich: Unverarbeitet wird sie nicht vorüber gehen. Die Annahme kann den Prozess positiv beeinflussen. Durch Trauer verbinden wir uns mit anderen, um die nötige Unterstützung zu erhalten.
Sei mutig, sei wütend
Wut tritt auf, wenn unsere Grenzen überschritten werden oder wir Ungerechtigkeit erleben. Sie gibt uns die Energie, uns zu schützen und unseren Standpunkt zu verteidigen. Indem wir lernen, Wut frühzeitig zu erkennen und angemessen zu kanalisieren, stärken wir unser Selbstvertrauen und unsere Selbstwirksamkeit.
Die Angst als Schutz
Die Aufgabe der Angst ist es, uns zu schützen. Das Gefühl selbst ist jedoch nicht gefährlich, sondern die Situation, die unser Gehirn als Bedrohung wahrnimmt. Herzrasen oder Zittern lenken unsere Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment. In solchen Augenblicken kann es hilfreich sein, innezuhalten und zu reflektieren, ob die Gefahr real ist oder nur in unserem Kopf existiert.
Wie Lukas Klaschinsky es in “Fühl dich Ganz“ beschreibt: „Gefühle geben mir häufig Handlungsimpulse, aber können mir nicht vorschreiben, wie ich mich verhalten soll. Sie sind ein Vorschlag. Wie ich mich entscheide, das liegt ganz bei mir.“ Also welches Gefühl auch in dir aufkommt, sieh es als freundlichen Wegweiser und unterschätze deine Entscheidungsmacht nicht.
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